Grundkurs
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Die Kirche und das jüdische Volk in der Geschichte


Es gibt folgenden jüdischen Witz: Ein Rabbi sagt zu Gott: Hilfe, mein Sohn ist Christ geworden, was soll ich bloß tun? Gott antwortet : mach dir nichts draus, mein Sohn ist auch Christ geworden. Darauf der Rabbi: Und was hast du getan? Gott: Ich habe ein neues Testament geschrieben.
Dieser jüdische Witz ist zwar ein Witz, aber er birgt viel Not: Wenn ein Jude den Glauben an Jesus annimmt, so wird er häufig von seiner Familie verstoßen ("Testament"). Es gibt sogar die Tradition, dass die Familie einen Sarg in ihrem Haus aufstellt, weil dieser Sohn bzw. Tochter für sie als tot gilt. Wird der Sohn kriminell, homosexuell oder Buddhist ist das längst nicht so schlimm wie wenn er den Glauben an Jesus annimmt. In Israel wird es heftig diskutiert ob Schüler und Soldaten Kirchen und Klöster besuchen sollen oder nicht. Den Kindern wird im Mathematik-Unterricht beigebracht, das Plus-Zeichen anders zu schreiben, da es an das christliche Kreuz erinnert. Vor 10 Jahren hat die israelische Regierung einen Erlass herausgegeben, der verbot, das Neue Testament im Geschichtsunterricht zu behandeln. Jahreszahlen werden in Israel mit "vor der Zeitrechnung" und "nach der Zeitrechnung" angegeben (z.B. 2000 n.d.Z.), um den Namen "Christus" zu umgehen.

Was war passiert, dass das jüdische Volk die meisten Verfolgungen durch die Christen erhielten, die den Juden doch ihre Herkunft verdankten? Was nachfolgend geschildert wird, man manchen schockieren - es sind Dinge, die wir Christen oft nicht wissen, weil sie meist "unter den Teppich gekehrt" wurden, die aber den Juden sehr wohl bekannt sind.
 

Das Christentum hat seine Wurzeln im Judentum [Folie urchristl. Symbo]. Es hat sich jedoch in den ersten Jahrhunderten stark von dieser Wurzel gelöst, so stark, dass es sogar antisemitisch wurde. Gründe und Stationen waren:

Wie anders ist die Haltung Gottes, wie die Bibel sie zum Ausdruck bringt: "Um Zions willen will ich nicht schweigen, und um Jerusalems willen will ich nicht ruhen, bis seine Gerechtigkeit aufgeht wie ein Glanz und sein Heil wie eine Fackel brennt" (Jesaja 62,1). "Zion aber sprach: Der Herr hat mich verlassen, der Herr hat meiner vergessen. Kann auch ein Weib ihres Kindleins  vergessen, dass sie sich nicht erbarme über den Sohn ihres Leibes? Und ob sie seiner vergäße, so will ich doch deiner nicht vergessen. Siehe, in die Hände habe ich dich gezeichnet, deine Mauern sind beständig vor mir." (Jesaja 49,14-15).
Auch Jesus, obwohl er harte Worte gegen einzelne unter den Juden findet, sagt im entscheidenden Moment: "Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!" (Lukas 23,43; vgl. auch Paulus' Haltung in Römer 9,1-3).
Im Vatikanischen Dokument "Wir erinnern uns" von 1998, in dem die katholische Kirche um Vergebung für die Sünden ihrer Gläubigen während des Holocaust bittet, heißt es u.a.: "Die Geschichte der Beziehungen zwischen Juden und Christen ist qualvoll. Es hat im christlichen Europa immer wieder Pogrome gegen Juden gegeben, zu denen irrige Interpretationen des Neuen Testaments beigetragen haben. Daher wurden in Krisenzeiten die Juden ständig als Sündenböcke missbraucht."

Christliche Zionisten und andere judenfreundliche Christen

Als Christen wieder anfingen, die Bibel ernster zu nehmen, änderte sich ihre Haltung zum jüdischen Volk grundlegend. Luther, der die Bibel "dem Volk gab", hatte anfangs eine sehr judenfreundliche Haltung (schlug später aber stark antisemitische Töne an). Auch die Puritaner und Pietisten sprachen davon, dass Israel eine Verheißung von Gott hat und wieder in ihr Land zurückkehren wird. J.J.Callenberg (1694-1760), Schüler von August Herman Francke, gründete in Halle 1728 das erste "Institutum Judaicum", wo hebräische Sprache und Literatur studiert wurde.
   Meist kam, wo eine Erweckung die Kirche ergriff, auch eine erhöhte Liebe zum Volk Israel. Zinzendorf zum Beispiel (1700-1760, Gründer der Herrnhuter Brüdergemeinde)  richtete einen jährlichen Tag der Fürbitte für die Juden ein. Ende 16. Jahrhundert erschienen viele von englischen Puritanern verfasste Bücher über die hoffnungsvolle Zukunft für das jüdische Volk aufgrund der biblischen Verheißungen. In dieser Atmosphäre war es dem englischen Puritaner Lord Protector Oliver Cromwell möglich, die Juden nach jahrhundertelanger Verbannung aus England 1655 wieder aufzunehmen. War das ein Grund, warum England in der Folge viele segensreiche Erweckungen erlebte?
   Die christlichen Zionisten waren sehr klein an Zahl, aber sie waren sehr aktiv und sprachen immer wieder Regierungshäupter an, doch einen jüdischen Staat im damaligen "Palästina" zu fördern. Beispiele:

Antwort: Busse und Neuanfang

[Folie Zusammenfassung]
Der Holocaust wäre nicht möglich gewesen ohne den jahrtausendealten kirchlichen Antisemitismus.
Heute zeigt sich er Antisemitismus in neuem Gewand, sei er nun weltlicher oder kirchlicher Natur: Als Antizionismus. Er richtet sich gegen das von Gott eingesetzte Recht und Erbe für das jüdische Volk, in dem Land zu wohnen, dass er ihnen für ewig zugeteilt hat (1Mose 17,8).
   Während seiner 8. Vollversammlung im Dezember 1998 in Harare/Zimbabwe verabschiedete der Weltkirchenrat eine Jerusalem-Erklärung, in der befürwortet wird, dass Jerusalem als "corpus separatum" unter die Aufsicht einer internationalen Behörde gestellt werden soll, aufgeteilt in verschiedene Verwaltungsbereiche.

Jetzt können wir verstehen, warum den Schulkindern in Israel beigebracht wird, das Pluszeichen nicht in Kreuzesform zu schreiben. Das Kreuz ist das Symbol des Christentums, das in der Geschichte eine Bedrohung für die Existenz des Judentums und des jüdischen Volkes darstellte. Wenn die Juden von den Christen zwangsgetauft wurden und dabei alles jüdische ablegen mussten, so bedeutete das keine Ausrottung der Juden als Menschen aber eine Auslöschung der Juden als Volk - das letztendlich durch den jüdischen Glauben zusammengehalten wurde. Damit hat die Kirche verleugnet, dass Gott noch eine Berufung und einen Plan mit den Juden als Volk hat. Gott hat Juden und Heiden in Jesus zu einer tiefen Einheit gebracht (Epheser 2,14-15). Er hat dieser Einheit wunderbare Verheißungen gegeben. Paulus befiehlt den Heidenchristen Roms, sich nicht über ihre jüdischen Wurzeln stolz zu erheben (Römer 11,18). Die Kirche hat sich dennoch von dem Auseinanderbringer blenden lassen und sich über ihre jüdischen Wurzeln erhoben. Was mag dahinter liegen? Der Neid der Nationen über die Erwählung Israels? Wir als Kirche haben schwere Schuld auf uns geladen, indem wir durch die Jahrhunderte hindurch das jüdische Volk enterbt, verachtet und verfolgt haben. Jesus hat jede einzelne dieser Sünden am Kreuz auf sich geladen. Aber wir sollten für diese Sünden vor Gott und dem jüdischen Volk Buße tun. Diese furchtbaren Tatsachen sollen uns nicht in den Unglauben bezüglich des jüdischen Volkes bringen oder in Bezug auf Erweckung in unserem Land, aber doch immer in unserem Bewusstsein bleiben. Und wir sollten beten dass die Kirche und wir selbst Buße tun. Für das, wo wir schon Busse getan haben, müssen wir nicht wiederum Busse tun, sondern für das, wo uns Gott aktuell und konkret überführt! Denn Gott stellt sowohl die Kirche als auch das jüdische Volk wieder her und lässt die Einheit wieder erwachsen, auf der eine große Verheißung liegt.

"Ich bin überzeugt, dass internationale christliche Buße für die vergangenen (und gegenwärtigen) Sünden der Kirche gegen die Juden zu internationaler jüdischer Buße für die vergangenen (und heutigen) Sünden Israels gegen Jesus führen wird. Es sind die Tränen der Buße der Kirche, die die Blutflecken (an unseren Händen) wegwaschen werden." (Michael L. Brown , "Unsere Hände sind mit Blut befleckt" S.18). Michael Brown legt in diesem Buch dar, dass Jesus nur zu einem Jerusalem und jüdischen Volk zurückkehren wird, das ihn willkommen heißt (Mt 23,38-39). "Jüdische Busse wird den Messias zurückbringen. Aber die Kirche muss zuerst Busse tun, bevor Israel am Zug ist." (ebd. S. 185) Es gibt ein geistliches Prinzip: Wir müssen erst für die Vergangenheit Wiedergutmachung tun, wenn wir in der Gegenwart und Zukunft gesegnet sein wollen. Über David berichtet die Bibel folgende Begebenheit: "Und es gab eine Hungersnot in den Tagen Davids, drei Jahre lang, Jahr für Jahr. Und David suchte das Angesicht des Herrn. Und der Herr sprach: Wegen Saul und wegen des Hauses der Blutschuld, weil er die Gibeoniter getötet hat" (2 Samuel 21,1). David war völlig unschuldig, dennoch musste er als Sauls Nachfolger Busse tun, um die Hungersnot abzuwenden. Er fragte die Gideoniter, wie er für sie Wiedergutmachung leisten könne. "Und danach ließ Gott sich für das Land erbitten" (V.14). Michael Brown sagt: In der gleichen Weise wird die Kirche ihren Weg nicht aus geistlicher Hungersnot finden bevor sie nicht Buße tut dafür, dass sie jüdisches Blut vergossen hat. Du sagst, du seist nicht schuldig? David war es genausowenig. Und doch konnte nur er den Schaden beheben. Du sagst: "Aber ich hab damit nichts zu tun! Die Kirche, die die Juden verfolgte, waren keine wahren Christen!" David hatte genausowenig direkt mit Saul zu tun. Und oft genug haben auch hingegebene Christen den Juden geschadet. "Die einzige Antwort der Kirche ist, auf unsere Gesichter zu fallen und Buße zu tun, zu fasten und um Reinigung zu bitten, uns aller antisemitischen Spuren zu entledigen und die Juden bedingungslos zu lieben - jeden einzelnen" (ebd. S. 186-187).
   Rudi Pinke, Pastor des christlichen Zentrums Frankfurt, schreibt: "Wenn wir meinen, wir könnten einen Schlussstrich ziehen, dann täuschen wir uns. Gott ist es, der diesen Schlussstrich zieht (Joel 4,21), aber erst dann, wenn wir alles durch unsere Schuld Gebundene aus Schmerz und Nöten durch Buße wieder freigeben. Und wenn wir durch Herzensumkehr bereit sind, alles Menschenmögliche zu tun, um wiedergutzumachen, was wir als Nation angerichtet haben. Welche Zeitspanne uns dazu zur Verfügung steht, weiß ich nicht, aber ich befürchte, dass, wenn wir es nicht bald schaffen, uns die Untaten der Vergangenheit einholen und ihren Preis verlangen werden. Wir werden mit Sicherheit das ernten müssen, was wir gesät haben (Gal 6,7; Lk 12,58)." (In: Gemeine Erneuerung 77, S.7)
"Inwieweit hat die Gemeinde Jesu in unserem Land schon angefangen, Buße zu tun? Dabei geht es nicht um ein seichtes "Vater, entschuldige - danke, dass du vergibst". Wir haben den Augapfel Gottes angetastet. Wir, die heute Lebenden, sind Nachkommen der Generationen, die es taten... Du und ich, wir haben eine Verantwortung, und der wollen wir uns stellen. Es stimmt nicht, dass die Zeit Wunden heilt. Sie sind nicht geheilt, denn wir haben uns noch nicht mit dem Leid identifiziert, haben noch nicht verstanden, was wir angerichtet haben. Tränen sind nötig, Tränen über uns, Tränen über das Judenschicksal in der ganzen Welt. Unser entschlossenes Auf- und Dagegen-Stehen ist nötig. Die Umkehr muss aus dem Herzen kommen. Die Liebe deckt viele Sünden zu." (Rudi Pinke bei einem Bußgottesdienst in Franfurt am 25.7.1999, in: "Tausend Jahre sind wie ein Tag", Ev. Marienschwesternschaft Darmstadt 2000).

Praktische Anwendung

Wir müssen unser Herz erforschen, wo wie selbst antijüdische und antiisraelische Gefühle gehegt haben oder Worte gesprochen haben und dafür Busse tun. Wir müssen erforschen, ob unsere Vorfahren gegen das jüdische Volk gesündigt haben, und darüber stellvertretend Busse tun. Und natürlich auch für die Christenheit insgesamt, für unsere Gemeinde und Denomination, unsere Stadt, unsere Berufsstand - so konkret wie möglich eben. Vgl. Artikel "historische Aufarbeitung von Schuld am jüdischen Volk"
 
 

"Wenn wir unsere Sünden bekennen, ist er treu und gerecht, dass er uns die Sünden vergibt und uns reinigt von jeder Ungerechtigkeit" (1.Johannes 1,9).

Nachtrag:

Die jiddische Sprache konnte nur entstehen, weil die Juden im Mittelalter aus dem deutschen Sprachraum nach Osteuropa vertrieben wurden - sie behielten ihr mittelalterliches Deutsch bei, während die Sprache sich in Deutschland anders weiterentwickelte. 



LITERATURANGABEN:
( 1) Jost Müller-Bohn: Adolf Hitler, Verführer der Christenheit, Lahr-Dinglingen 1988, S. 155.
( 2) G. Jordy, Die Brüderbewegung in Deutschland, Bd. 3, Wuppertal 1986, S. 69ff.; zit. in Fritz May: Israel zwischen Blut und Tränen. Asslar 1987, S.102.
( 3) zit. in Fritz May, a.a.O. S. 61; 94-95.
( 4) aus: Werner Keller, und wurden zerstreut unter die Völker, München; Zürich 1966, S. 343-147
( 5) vgl. Michael Pragai, Sie sollen wieder wohnen in ihrem Land, Gerlingen 1990, S.102
( 6) James Parkes, The Conflict of the Church and the Synagoge, S.394-399 zit. in Brown Our Hands S.95

weitere Texte
weiteres Foto: "Flucht " (jüdisches Gebetsbuch)

Artikel: Die parallele Wiederherstellung von Israel und der Kirche

LITERATUR:
Dr. Michael L. Brown: Unsere Hände sind mit Blut befleckt. Die tragische Geschichte der "Christen" und Juden.  Megamedien und CFRI 2000, ISBN 3-933461-21-9.
Flannery, Edward H.: The Anguish of the Jews. Twenty-Three Centuries of Antisemitism. ISBN 0-8091-2702-4
 

LINKS zu guten Artikeln zum Thema:

  Die Schuld der Christenheit am Volk der Juden (Marienschwestern Darmstadt)
Geschichte des christlichen Antisemitismus (Clarence Wagner /englisch; auch bei VHL )



verfasst im Oktober 1999 von Andreas Hornung, überarbeitet 14.04.01
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© Andreas Hornung www.segne-israel.de

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